Floresta bávara II

Alle Recorder haben lückenlos aufgezeichnet – ausser Nummer eins. Als wir durch das vom Regen nasse Gras streifen, fliehen drei Rehe, die sich in den hohen Halmen versteckt hatten. Dieser Recorder scheint einer derjenigen zu sein, die von Wildlife Acoustics zurückgerufen worden sind. Wegen Corona und Personalmangel konnten offenbar nicht alle Geräte geprüft werden – einige haben fehlerhafte Abdichtungen und lecken; der Recorder in der Streuwiese hier hat sich mit Wasser gefüllt und nichts aufgezeichnet.

Wiederum will sich allerlei fliegendes Getier an mir laben – im Moor lästige Hirschläuse (Lipoptena cervi), auf den Wiesen Bremsen (vermutlich Haematopota pluvialis), im Wald Mücken (vermutlich Culex pipiens)… diesmal bin ich nicht der einzige, der von Insektenstichen übersät ist. Zudem regnet es in Strömen und Regenwald-Erinnerungen kommen auf. Ich muss beim Gedanken lächeln, dass man gar nicht tausende Kilometer fliegen muss, um ähnliche Strapazen im Wald durchzumachen; ganz ausgehungert kommen wir jeweils zu den Essenszeiten ins Lange Haus.

Auch sonst ist der heutige Tag reich an Abenteuern: Ken holt sich am Zaun beim Permakultur-Garten einen Stromschlag und mit dem unter Strom gesetzten Assistenten gehen die Daten, die er mit der SD-Karte in der Hand hält, verloren. Ich höre mit Annette Kinitz in die ersten Aufnahmen rein und mir wird bewusst, wie fremdartig unser Radio klingen wird: Umweltgeräusche auf einem analogen Radiosender – ein wirklich schöner Moment der Irritation.

Hochsitz.

Beim Streifen durch die Landschaft hier fällt mir auf, wie viele Jagdhochsitze überall stehen. Beinahe an jedem Waldrand sind die hölzernen Konstruktionen zu sehen. Und wiederum verstärkt sich der Eindruck, wie sehr diese – wohl die gesamte Zentraleuropäische – Landschaft von Menschen geprägt ist. Eine Frage, die mich in vielen Gebieten, in denen ich arbeite, beschäftigt, ist: Was beobachte ich hier, wie wird sich die Landschaft auf unterschiedlichen Skalen entwickeln? – Respektive und auf den Punkt gebracht: Sehe ich hier bloss nur dem Niedergang von Ökosystemen zu oder kommt irgendwo, irgendwann auch der Moment, wo eine Erholung, eine positive Entwicklung beobachtbar wird?